Wahlvorschlag für Max Planck zum ordentlichen Mitglied der physikalisch-mathematischen Klasse der Preußischen Akademie der Wissenschaften von Hermann von Helmholtz

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Berlin, vor dem 9. Februar 1894

Entwurf

Die unterzeichneten Mitglieder der Akademie beantragen hierdurch Herrn Dr. M. Planck, ordentlichen Professor der mathematischen Physik an hiesiger Universität zum ordentlichen Mitgliede unserer Akademie zu erwählen. Die bisher veröffentlichten Arbeiten desselben beziehen sich überwiegend auf die Thermochemie, die er nach allen Seiten hin im Sinne der modernen mechanischen Wärmelehre durchgearbeitet hat. Es beziehen sich darauf 11 seiner Abhandlungen, die mit dem 15. Bd. von Wiedemann’s Annalen beginnen und bis zu den neuesten Bänden dieses Journals sich fortgesetzt haben. Diese geben eine sehr vollständige Durcharbeitung der Folgerungen, welche man aus dem zweiten Hauptsatze der mechanischen Wärmetheorie über die genannten Gebiete unter strenger Vermeidung anderweitiger Hypothesen oder noch nicht hinreichend genau untersuchter Thatsachen ziehen kann. Das allgemeine Princip, welches der Verfasser zur Grundlage aller seiner Schlüsse gemacht hat, spricht er in der schon von Clausius und nachher von Lord Rayleigh gegebenen Form aus, daß durch alle Processe der anorganischen Natur die Summe der Entropie derjenigen Körper, deren Zustand verändert worden ist, nur anwachsen oder gleich bleiben, aber niemals abnehmen kann. Diese Untersuchungen umfassen Sätze über die Bedingungen, unter denen verschiedene Aggregatzustände derselben Substanz neben einander bestehen können, ferner über das Gleichgewicht von gemischten Gasen mit oder ohne Einfluß der Schwere, über den Verlauf chemischer Reactionen zwischen Körpern, die sich nach constanten Gewichtsverhältnissen verbinden, über die Dissociation, beziehlich das chemische Gleichgewicht von Gemengen gasförmiger Verbindungen und verdünnter Lösungen, über thermoelektrische Kräfte, über elektromotorische Kräfte von Elektrolyten u.s.w.
In diese Liste haben wir die erste Arbeit von Planck, die sich auf van der Waal’s und Clausius Hypothese über das Gesetz der gesättigten Dämpfe bezieht, welche übrigens zu ihrer Zeit lebhaft discutirt wurde und große Aufmerksamkeit erregte, eben wegen ihrer hypothetischen Grundlage fortgelassen. In der zweiten Abhandlung Planck’s über das thermodynamische Gleichgewicht von Gasgemengen, wie in allen späteren, sind diese hypothetischen Bestandtheile schon einflußlos geworden.
Es geht hieraus hervor eine wie reiche Fülle von Themata die sich zu einer vollständigen Theorie dieses wichtigen neuen Kapitels der Physik zusammenschließen, Herr Planck in seinen Arbeiten behandelt hat. Diese alle sind aus einem einzigen allgemeinen Princip entwickelt, dessen Gültigkeit kaum noch wird bezweifelt werden können, und deshalb kommt auch den hingestellten Folgerungen ein hoher Grad von Zuverlässigkeit zu. Ein Theil der Folgerungen war schon von andern Forschern vorweggenommen, aber meistens sind die Untersuchungen von Planck vollständiger und mit sorgfältigerer Unterscheidung der verschiedenen Fälle durchgeführt worden, als von seinen Vorgängern.
Was wir aber für seine wichtigste und scharfsinnigste theoretische Leistung halten, ist der Umstand, daß Planck’s Untersuchungen die theoretische Begründung für das empirisch von Raoult und van’t Hoff gefundene Gesetz enthalten, wonach die Änderung der Gefrierpuncts und des Dampfdrucks verdünnter wässeriger Lösungen nur von den Molecülzahlen der gelösten Substanzen abhängt. Dieses Factum, welches zu einem zweiten unabhängigen Ausgangspunct der modernen chemischen Theorien hinüberführte, hat dadurch seine genauere Formulirung und seine Begründung aus allgemeineren Principien erhalten, so daß fortan die neue an überraschenden Folgerungen und Bestätigungen so schnell und reich entwickelte theoretische Begründung der Chemie, die bisher zwei getrennte Ausgangspuncte zu haben schien, in einen großen und umfassenden Zusammenhang zusammenzuwachsen bereit erscheint, dessen verschiedene Theile sich gegenseitig zu stützen geeignet sind.
Die Unterzeichneten betrachten daher diese Leistung des Herrn Planck als eine ungewöhnlich wichtige und folgenreiche und glauben daher daß seine Aufnahme in die Akademie vollkommen gerechtfertigt und wünschenswerth sei.

v. Helmholtz
A. Kundt
v. Bezold
Quelle
Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften
Bestand Preußische Akademie der Wissenschaften, II-III-31, Bl. 7-8
behändigte Reinschrift, egh., mitunterzeichnet von A. Kundt und W. von Bezold