Wahlvorschlag von Max Planck für Emil Warburg zum ordentlichen Mitglied der physikalisch-mathematischen Klasse der Preußischen Akademie der Wissenschaften

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Berlin, 30. Mai 1895

Die unterzeichneten Mitglieder der Akademie der Wissenschaften erlauben sich, den Professor der Experimentalphysik an der hiesigen Universität und Direktor des physikalischen Instituts, Dr. Emil Warburg, zum ordentlichen Mitglied der phys.-math. Klasse für eine der zur Zeit vorhandenen freien Stellen in Vorschlag zu bringen.
Schon bald nach dem Tode Kundts zeigte es sich, daß unter den Physikern, welche gegenwärtig in Deutschland zur obersten Leitung staatlicher Institute berufen sind, nach seinen wissenschaftlichen Leistungen Warburg unbestritten den vordersten Rang einnimmt. Geboren zu Altona im Jahre 1846 begann er seine Forscher- u. Lehrthätigkeit in Berlin als Privatdozent u. folgte im Jahre 1872 einem Rufe nach Straßburg, im Jahre 1876 einem solchen nach Freiburg in Baden, wo ihm der Bau des neuen physikalischen Instituts übertragen wurde, welches er nach dem Urtheil der ersten Kenner musterhaft einzurichten und vortrefflich in Ordnung zu halten verstanden hat. Während er zu Beginn des gegenwärtigen Jahres das Rektorat an der Universität Freiburg verwaltete, erhielt er die Berufung als Nachfolger Kundts an die hiesige Universität.
Von Warburgs zahlreichen, ununterbrochenen fortgesetzten Arbeiten, die seit dem Jahre 1868 datiren, u. sich insgesammt durch besondere Zuverlässigkeit in den experimentellen Resultaten, außerdem aber auch, was sich in der gegenwärtigen Zeit nicht mehr häufig damit vereinigt findet, durch tiefere mathematische Methodik auszeichnen, seien hier nur die hauptsächlichsten erwähnt. In seiner ersten Periode beschäftigte er sich vorzugsweise mit Akustik, indem er die verschiedenen physikalischen Eigenschaften tönender Systeme untersuchte u. dabei u. A. eine neue Methode zur Messung der Schallgeschwindigkeit in weichen Körpern auffand. In weiteren Kreisen bekannt geworden sind dann die Versuche, welche er in Gemeinschaft mit seinem Lehrer u. Freunde Kundt anstellte, über die Reibung u. Wärmeleitung der Gase, sowie über die für die kinetische Gastheorie wichtige Schallgeschwindigkeit im einatomigen Quecksilberdampf, - Arbeiten, in welchen sich seine gründliche theoretische Bildung mit Kundts glänzendem experimentellen Geschick glücklich vereinigte.
Ferner verdankt ihm die Wissenschaft die Feststellung der jetzt als magnetische Hysteresis bezeichnete Eigenschaft magnetisirbarer Substanzen, beim Magnetisiren eine andere Magnetisirungscurve zu besitzen als beim Entmagnetisiren, woraus er sogleich die Consequenzen für eine Reihe anderer Vorgänge klar entwickelte. Später wandte er sich der Erforschung galvanischer Phänomene zu u. zeigte zum ersten mal die elektrolytische Leitung des festen Glases u. des Bergkrystalls mit ihren wichtigsten Einzelheiten. In der neuesten Zeit hat er eine der Helmholtzschen in gewissem Sinn entgegengesetzte Theorie der galvanischen Polarisation ausgearbeitet, welche vielleicht noch einer fruchtbaren Entwicklung fähig ist.
Für Warburgs Persönlichkeit ist charakteristisch eine peinliche Gewissenhaftigkeit in der Pflichterfüllung, ein lebhaftes und leidenschaftsloses Interesse für gemeinsame Angelegenheiten, verbunden mit schlichtem äußeren Auftreten und einiger Zurückhaltung im Verkehr mit Fernerstehenden. Diese Eigenschaften haben ihm neben seinen wissenschaftlichen Erfolgen überall besondere Anerkennung bei seinen Fachgenossen u. sonstigen Collegen eingetragen u. lassen mit Sicherheit erwarten, daß er auch in der Akademie einen geachteten Platz einnehmen wird.

M. Planck
v. Bezold
Fischer
Landolt
C. Klein
Fuchs
H. A. Schwarz
Frobenius
Quelle
Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften
Bestand Preußische Akademie der Wissenschaften, II-III-31, Bl. 83-84
behändigte Reinschrift, egh., mitunterzeichnet von W. v. Bezold, E. Fischer, H. Landolt, C. Klein, L. Fuchs, H. A. Schwarz und G. Frobenius