Schreiben M. Plancks vom 19. April 1920 an den Staatsminister F. Schmidt-Ott über die Notwendigkeit der Gründung der Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft

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Berlin, 19. April 1920

Herrn Staatsminister Dr. Friedrich Schmidt
Exzellenz

Berlin-Steglitz, Schillerstr. 7

Hochverehrter Herr Staatsminister!

Die Sorge um die gegenwärtige bedrängte Lage der deutschen Wissenschaft, deren Ernst sich allseitig in stetig steigendem Maaße geltend macht, hat die preußische Akademie der Wissenschaften veranlaßt, den Plan der Gründung einer Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft, im Verein mit den übrigen deutschen Akademien, ins Auge zu fassen, deren Aufgabe es ganz allgemein sein soll, vorliegende Notstände zu prüfen und gegebenenfalls mit Rat und Tat zu helfen, ohne dabei in bereits bestehende Hilfsaktionen einzugreifen. Das soll geschehen einerseits durch geeignete Fühlungnahme mit den Reichs- und Landesbehörden, andererseits Erweckung und Stärkung des Interesses privater Kreise, sowie auch des immer noch ungenügenden Verständnisses der großen Oeffentlichkeit dafür, daß die Fragen, welche sich auf das Gedeihen der reinen Wissenschaftspflege beziehen, auch für das Allgemeinwohl Lebensfragen ersten Ranges bilden.
Da für die Leitung eines solchen Unternehmens nur ein Mann berufen erscheint, in dessen Persönlichkeit die Vorbedingungen für eine sachverständige Erfassung und für eine tatkräftige Durchführung der bedeutungsvollen Aufgabe vereinigt sind, so beehrt sich die Akademie die ergebenste Bitte auszusprechen, Eure Exzellenz wolle dem Plan geneigtest Interesse zuwenden, die Bildung des Ausschusses übernehmen und als Vorsitzender an seine Spitze treten.
Die Akademie ist sich wohl bewußt, welche Opfer sie mit ihrer Bitte der kostbaren Arbeitskraft Euer Exzellenz zumutet, aber sie hegt das Vertrauen, daß ihr hochgeschätztes Ehrenmitglied, dem sie durch lange Jahre hindurch, amtlich und außeramtlich, ungezählte Beweise tatkräftigen Wohlwollens und treueste Teilnahme zu verdanken hat, sich dem jetzt in schicksalsschwerer Zeit ergangenen Rufe nicht versagen wird.
Als Vertreter in dem zu bildenden Ausschuß hat die Akademie aus dem Kreise ihrer Mitglieder die HH. Diels, Haber und den Unterzeichneten abgeordnet. Die übrigen im Kartell vereinigten Akademien des deutschen Reiches sind gleichzeitig gebeten worden, sich an der Bildung des Ausschusses zu beteiligen und Vertreter namhaft zu machen. Ihre Antworten werden in der Reihenfolge, in der sie eingehen, Euer Exzellenz zur Kenntnis gebracht werden. Im Uebrigen sind weder für die Art der Zusammensetzung noch für die Geschäftsführung des Ausschusses bestimmte Richtlinien von vornherein als bindend vorgesehen. Daher würde auch nichts im Wege stehen, daß der Ausschuß seine Arbeit sofort beginnt.
Es liegen bereits mehrere Angelegenheiten vor, welche geeignet erscheinen, in den Bereich seiner Tätigkeit gezogen zu werden.
Vor allem liegt der Akademie die Förderung der Wirksamkeit der neu geschaffenen Reichszentralstelle für naturwissenschaftliche Berichterstattung (Leiter Hr. Dr. K. Kerkhof) am Herzen, für die sie eine besondere Kommission eingesetzt hat.
Denn die wissenschaftliche Berichterstattung ist die erste, die ursprünglichste Vorbedingung für die gehörige Verbreitung und Verarbeitung namentlich der ausländischen, gegenwärtig so schwer zu beschaffenden wissenschaftlichen Literatur.
Des Weiteren erfordert eine sorgsame Prüfung der von Mr. Ev(…) Skillings, Vermont, U.S.A. im Namen einer Anzahl bedeutender englischer und amerikanischer Gelehrter überbrachte Plan der Gründung einer englisch-amerikanischen Universitätsbibliothek für Zentraleuropa. Die Akademie hat beschlossen, ihre grundsätzliche Stellung in dieser wichtigen Angelegenheit mit von dem Ergebnis der Verhandlungen des Ausschusses der Notgemeinschaft abhängig zu machen.

Der Vorsitzende Sekretar d. pr(eußischen) A(kademie) d(er) W(issenschaften)
P.
Quelle
Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften
Bestand Preußische Akademie der Wissenschaften, II-XIV-31, Bl. 8-8a
egh. Konzept von M. Planck